ERP-Auswahlprozess: In 9 Schritten zum passenden ERP System

Jedes Unternehmen und jeder Unternehmer stehen früher oder später vor der Frage: Benötige ich eine ERP-Software und welche ist die passende Wahl für mein Unternehmen? Diese Entscheidung sollte keinesfalls leichtfertig getroffen werden, sondern gut durchdacht sein. Voreilige und unzureichend fundierte Entscheidungen können hohe Folge- und Wechselkosten verursachen, Mitarbeiter verärgern und demotivieren, Arbeitsabläufe ins Stocken bringen und im schlimmsten Fall zum Verlust des Unternehmens führen.
ERP Berater im ERP Auswahlprozess

Die Frage nach der passenden ERP Lösung

Da ERP-Systeme in der Regel über einen Zeitraum von 10-15 Jahren eingesetzt werden und mit hohen Investitionen verbunden sind, gleicht die Implementierung solcher Projekte einer Operation am offenen Herzen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, ein solches Vorhaben gründlich zu planen, sorgfältig vorzubereiten und umsichtig durchzuführen. Wenn man leichtfertig oder vorschnell eine Software auswählt, begeht man bereits den ersten großen Fehler.

Wann macht eine ERP Auswahl Beratung Sinn?

Besonders bei etablierten Unternehmen, die über die Jahre dynamisch gewachsen sind, besteht häufig ein Mangel an Kompetenz im Bereich ERP und Unternehmenssoftware. IT-Abteilungen sind nicht ausreichend aufgestellt oder werden dezentral geführt. Dies führt oft zu einer Vielzahl kleinerer, isolierter und inkompatibler Lösungen. Aufgrund der langjährigen Arbeit mit bekannten Systemen entwickeln die Mitarbeiter oft eine Abneigung gegenüber Neuem, und es fällt schwer, die eigenen Prozesse auf ein neues ERP-Programm umzustellen. Dadurch entsteht ein mühsamer Entscheidungsprozess. Es kommt häufig vor, dass zu viel Wert auf vermeintlich „wichtige“ Funktionen gelegt wird, die in der Realität nur von geringer Bedeutung sind. Die entscheidenden und grundlegenden Funktionen geraten dabei schnell in den Hintergrund und werden vernachlässigt. Allerdings haben auch viele junge Unternehmen Schwierigkeiten bei der Auswahl eines geeigneten ERP-Systems. Diese Unternehmen sind oft voller innovativer Ideen und Zukunftsvisionen, was natürlich großartig ist und nicht gebremst werden sollte. Allerdings wird bei der ERP Auswahl oft zu wenig Beachtung auf die Kernfunktionen des ERP-Programms gelegt. Stattdessen wird schnell eine Software gewählt, die zwar viele neue Ansätze und Technologien bietet, aber im eigentlichen Kernbereich noch nicht ausgereift ist. Hinzu kommt, dass viele jüngere Mitarbeiter noch keine Erfahrung mit solchen Programmen haben. Ihnen fehlt schlichtweg die Erfahrung, um zu wissen, worauf es bei dem neuen ERP-System ankommt und inwiefern diese Systeme in einer gesamten Systemlandschaft verortet sind. Bei einem Auswahlprozess, der von den ersten Überlegungen bis zur Konkretisierung reicht, sollte immer die Sicherstellung der Geschäftsfähigkeit im Vordergrund stehen und sowohl die Geschäftsleitung als auch das handelnde Team vorantreiben. Was nützen bunte Dashboards, die angeblich künstliche Intelligenz nutzen oder einen Fokus auf beispielsweise digitalisierte Fertigung haben, wenn keine Bestellungen mehr aus dem System generiert oder Rechnungen geschrieben werden können? Ein durchdachter und systematischer Auswahlprozess kann in diesem Fall helfen.

Der ERP-Auswahlprozess

Der ERP-Auswahlprozess

1. Vorbereitung

Bevor man sich dafür entscheidet, ob das Team für das ERP-Projekt intern aufgestellt oder durch ein Beratungshaus unterstützt werden soll, ist es wichtig, sich über den Umfang des Projekts im Klaren zu sein. Das bedeutet, man sollte wissen, welche Bereiche und Prozesse betroffen sind. Auch die Größe des Unternehmens spielt eine Rolle, ebenso wie die gesellschaftsrechtliche Struktur. Sind alle Standorte oder Unternehmensanteile im Geltungsbereich? Um dies herauszufinden, kann man eine Überprüfung der Prozess- und Unternehmensdokumentation, wie z.B. Prozessbeschreibungen, Organigramme und IT-Landschaft, durchführen und ihre Aktualität überprüfen. Das Ziel dabei ist die Identifikation der Kern- und Wertschöpfungsprozesse. Darüber hinaus sollten auch kritische Faktoren im Unternehmen betrachtet werden.

2. Strategie-Workshops

Die Strategie spielt eine entscheidende Rolle bei einem ERP-Vorhaben und bildet den Grundstein für das gesamte Projekt. Dabei wird das Gesamtbild betrachtet und strategische Leitplanken sowie eine Roadmap für die ERP-Entscheidungen definiert. Der Fokus liegt dabei auf der strategischen Ausrichtung und den wirtschaftlichen Zielen. Die strategischen Leitplanken dienen dazu, diese Aspekte konkret zu definieren, Fakten zu schaffen und unternehmenspolitische Diskussionen zu vermeiden, die zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten während der Implementierung führen können. Das Strategiepapier kann beispielsweise verschiedene Dimensionen wie „Organisation“, „Prozesse“ oder Software umfassen.

3. Prozess-Workshops

Im Rahmen von Prozess-Workshops entlang der zuvor definierten Wertschöpfungskette arbeitet man gemeinsam mit den Mitarbeitern an der Festlegung der funktionalen Anforderungen und einer Prozesslandkarte. In dieser Phase werden unter anderem Alleinstellungsmerkmale, „Show-Stopper“ (kritische Punkte), Funktionen, die einen Mehrwert bieten, sowie Anforderungen auf Grundlage der Strategie definiert. Eine sorgfältige Vorbereitung der Workshops ist wichtig, um einerseits effizient Ergebnisse zu erzielen und andererseits die betroffenen Mitarbeiter im Tagesgeschäft nicht unnötig zu belasten.

4. Marktbetrachtung und Evaluation des potenziellen ERP-Systems – Erstellung der Longlist und des ERP-Lastenhefts

Um sich zu Beginn auf dem umfangreichen ERP-System-Markt zurechtzufinden, ist es wichtig, bestimmte Kriterien zu berücksichtigen. Hierzu zählt die Branche, die Unternehmensgröße, die Ausrichtung der Kundenstruktur, das Server- und Betriebssystem, die verwendeten Datenbankmodelle sowie der Fokus auf bestimmte Bereiche wie Finanzen, Vertrieb, Logistik oder Personalwesen. Durch diese Filterung erhält man einen ersten Einblick und ein Gefühl dafür, welche Richtung man einschlagen kann. Bei der Konkretisierung und Betrachtung der Lösungen im Hinblick auf die Passung zum eigenen Unternehmen entsteht eine Longlist von Anbietern, die in einer Ausschreibung berücksichtigt werden können.

Das ERP Lastenheft sollte einerseits die konkreten Ergebnisse der Prozess-Workshops in Form eines funktionalen Anforderungskatalogs enthalten. Andererseits sollten die jeweiligen Bereiche, wichtige Prozesse und eventuelle Besonderheiten dargestellt werden. Eine Unternehmensbeschreibung rundet das Lastenheft ab und liefert den Anbietern die notwendigen Informationen, um ein passendes Angebot zu erstellen.

5. Start der Ausschreibung

Bei der eigentlichen Ausschreibung ist die Kommunikation mit den Anbietern von großer Bedeutung. Es ist wichtig, im Vorfeld Informationen einzuholen, ob die potenziellen Bieter über ausreichende Kapazitäten verfügen. Dies betrifft sowohl die Bearbeitung der Ausschreibungsunterlagen als auch die eigentliche Projektarbeit. Dadurch sollen unangenehme Überraschungen in Bezug auf die Zeitplanung vermieden werden. Darüber hinaus ist es entscheidend, einen regelmäßigen Austausch mit den Anbietern zu pflegen, um die Erwartungshaltung beider Seiten transparent zu machen und offene Fragen zu klären. Dies schafft eine solide Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. Durch den Austausch kann auch bereits erkennbar werden, ob ein Anbieter gut zum Unternehmen passt und ob die gestellte Aufgabenstellung richtig verstanden wurde.

6. Bewertung und Analyse der Rückmeldungen

Nachdem die Antworten der Anbieter vorliegen, folgt die Analyse und Bewertung. Dabei konzentriert man sich darauf, inwieweit die unternehmensspezifischen Kriterien erfüllt werden, wie z.B. Skalierbarkeit, Integration, Flexibilität oder Nutzerakzeptanz. Zudem werden die Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzer aus den Prozess-Workshops berücksichtigt. Das Ergebnis dieser Bewertung ist die Shortlist, das heißt, es wurden die Anbieter ausgewählt, mit denen nun konkrete Workshops durchgeführt werden, um das System und den Implementierer eingehend zu prüfen. Dabei werden alle Aspekte sorgfältig unter die Lupe genommen.

7. Durchführung der Anbieter-Workshops

Unter Einbeziehung der Mitarbeiter werden Anbieter-Workshops durchgeführt, bei denen konkrete Anwendungsfälle betrachtet werden. In diesen Workshops präsentieren die Anbieter ihre Software-Lösung und Projektmethodik. Der Fokus liegt darauf zu verstehen, inwieweit die Software in der Lage ist, die unternehmerischen Prozesse, Alleinstellungsmerkmale und das vorhandene Fachwissen abzubilden.

8. Entscheidungsfindung

Basierend auf sämtlichen Daten, Informationen und Erkenntnissen wird nun eine umfassende Analyse durchgeführt, die Ergebnisse aufbereitet und eine Entscheidungsvorlage vorbereitet.

9. Vertragsverhandlungen und -abschluss

Es gibt hier bereits viele Aufgaben zu erledigen. Es ist jedoch wichtig, sich nicht ausschließlich auf Anwälte zu verlassen und sich umfassend gegen Risiken abzusichern. Es ist ratsam, auf Erfahrung und gesunden Menschenverstand zu vertrauen, um eine solide Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen.

Indem Unternehmen diese Schritte bei der Entscheidungsfindung für die Auswahl eines ERP-Systems berücksichtigen, können sie sicherstellen, dass sie die beste Lösung für ihre geschäftlichen Anforderungen auswählen und eine erfolgreiche Implementierung durchführen.

 

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